Ein viraler Zellkern

ZelltypenEin einzigartiges Merkmal eukaryontischer Zellen, das sie von Bakterien unterscheidet, ist das Vorhandensein eines membrangebundenen Zellkerns, der die chromosomale DNA enthält (Abbildung; Bildnachweis). Überraschenderweise ist eine kernähnliche Struktur, die sich bei der viralen Infektion von Bakterien bildet, der Ort der viralen DNA-Replikation (Link zum Artikel).

Bei der Infektion von Pseudomonas-Bakterien mit dem Phagen 2O1phi2-1 bildet sich ein separates Kompartiment, in dem die virale DNA-Replikation stattfindet. Ein Phagenprotein, gp105, bildet die äußere Schicht dieses Kompartiments, das sich zunächst in der Nähe eines Endes der Zelle bildet und dann in die Mitte wandert. Die Wanderung des Kompartiments erfolgt auf einer Spindel, die aus dem Tubulin-ähnlichen Protein PhuZ besteht.

Neben der viralen DNA gelangen auch bestimmte Proteine in dieses Kompartiment, darunter virale Proteine, die an der DNA- und mRNA-Synthese beteiligt sind, sowie mindestens ein Wirtszellprotein. Andere Proteine, z. B. solche, die an der Translation und der Nukleotidsynthese beteiligt sind, sind ausgeschlossen. Diese Kompartimentierung ähnelt sehr stark der des Zellkerns eukaryontischer Zellen.

Die Verpackung der viralen DNA findet an der Oberfläche des Viruskerns statt. Leere Phagenkapsiden bilden sich an der bakteriellen Zytoplasmamembran und wandern dann in das Kompartiment, wo sie sich fest an die Oberfläche anlagern. Durch einen unbekannten Mechanismus wandert die DNA aus dem Kompartiment in das Kapsid. Dann werden die Kapside von der Oberfläche freigesetzt, um im Zytoplasma weiter zu reifen. Die fertigen Phagen werden bei der bakteriellen Lyse aus der Zelle freigesetzt.

Diese faszinierenden Beobachtungen werfen eine Reihe von unbeantworteten Fragen auf. Führt die Infektion mit anderen Phagen zum Aufbau eines viralen Kerns? Wie bewegen sich Moleküle selektiv in die Struktur hinein und aus ihr heraus?

Die vielleicht interessanteste Frage bezieht sich auf den Ursprung von Viren und Zellen. Einer Hypothese zufolge könnten selbstreplizierende, virusähnliche Nukleinsäuren zuerst auf der Erde erschienen sein, gefolgt von Zellen ohne Zellkern. War der Zellkern eine virale Erfindung?

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