Stadtgestaltung und öffentliche Gesundheit – Was ist blauer Raum?

„Die Urbanisierung ist eine der größten Herausforderungen für die öffentliche Gesundheit im 21. Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit lebt die Mehrheit der Weltbevölkerung in Städten. Bis zum Jahr 2030 werden schätzungsweise 60 % der Weltbevölkerung in Städten leben, und bis 2050 wird dieser Anteil voraussichtlich auf 70 % ansteigen. Die Verstädterung bietet eine große Chance, die Gesundheit der Menschen zu verbessern, stellt aber auch eine komplexe Herausforderung dar, vor allem dort, wo die Verstädterung schneller voranschreitet als die Entwicklung der Infrastruktur, der Dienstleistungen und anderer Ressourcen, die erforderlich sind, um die Bedürfnisse der Bewohner ausreichend zu befriedigen.“ – WHO-Zentrum für gesundheitliche Entwicklung

Abbildung 1: Sozio-ökologisches Modell der Gesundheit (Barton et al., 2006)

Gesundheit und Wohlbefinden in der bebauten Umwelt

Öffentliche Gesundheit ist nicht nur ein medizinisches Problem, die Auswirkungen sozioökonomischer, kultureller und umweltbedingter Bedingungen machen öffentliche Gesundheit zu einem sozialen Problem. Die Verbindung zwischen öffentlicher Gesundheit und Stadtplanung ist untrennbar. Die Stadtplanung spielt eine Rolle bei der Schaffung gesunder und nachhaltiger Städte.

Das Projektbüro Gesunde Städte der WHO hat einen Rahmen für die Akteure bei der Planung und Entwicklung von Städten vorgelegt. Eine Liste von Grundsätzen für den Prozess der Schaffung und Erhaltung gesunder Städte ist im Folgenden aufgeführt.

Abbildung 2: Grundsätze der gesunden Stadtplanung des WHO-Projekts Gesunde Städte (WHO Healthy Cities Project Office, 1995; WHO-Regionalbüro für Europa, 1997)

„Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen. Das Recht auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit ist eines der Grundrechte eines jeden Menschen ohne Unterschied der Rasse, der Religion, der politischen Überzeugung oder der wirtschaftlichen und sozialen Lage.“ – Definition von Gesundheit in der Verfassung der WHO (WHO, 1994)

Was ist Blue Space?

Heutzutage gibt es viele Gesetze und Verordnungen zum Schutz von Grünflächen. Es ist ein Muss, Grünflächen in alle städtischen Planungs- und Gestaltungsprojekte einzubeziehen, aber was ist mit dem blauen Raum?

Blauer Raum als Begriff der Stadtgestaltung steht für sichtbares Wasser. Hafenparks, Flüsse, Teiche, Seen, Häfen, Kanäle, Springbrunnen usw. zählen zu den blauen Flächen. Sie sind ein wichtiges physisches und ästhetisches Element der Landschaftsgestaltung. In den Städten von heute sieht man oft, wie historische Flüsse durch Industrieabfälle verschmutzt werden. Einige Flüsse sind verschwunden und Uferzonen werden aufgrund der Infrastruktur künstlich angelegt.

Abbildung 3: Kanal in Amsterdam (Mikestravelguide, 2012)

Blaue Räume sind eine wertvolle Gattung des öffentlichen Raums. Mit gutem Design und Management können sie ein attraktives Merkmal von Städten sein. Blaue Räume sind entscheidend für eine nachhaltige Stadtentwicklung.

Wert von grünen und blauen Räumen: (Smith, 2010)

  • Natürliche Kühlung zur Abschwächung der städtischen Wärmeinsel
  • Raum für nachhaltige Stadtentwässerung/Wasserspeicherung, um überschüssige Niederschläge zu absorbieren
  • Schaffung von Naturräumen für Erholung, Bewegung,
  • Stadtgärtnerei und Kleingärten
  • Erstmaliger Kontakt der Stadtbewohner mit der biologischen Vielfalt
  • Ungenutzte Flächen können grüne Korridore schaffen, wie z.B. stillgelegte Eisenbahnlinien
  • Vegetation zur Verringerung der Auswirkungen der Luftverschmutzung, Kohlenstoff zu speichern, die Durchlässigkeit zu erhöhen
  • Erhaltung von Lebensräumen und nachhaltigen Ökosystemen
  • Plätze für die Migration von Arten und die Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels
  • Gesündere, glücklichere Menschen

Abbildung 4: Four Pillars of Sustainable Development for Urban Blue Space (Wessells, 2014)

Abbildung 5: Enghaveparken Floodable Park (Cowi, Tredje Natur and Platant, 2016)

Umweltpsychologie

Auch aus umweltpsychologischer Sicht ist es wichtig, Stadtgestaltung und öffentliche Gesundheit zu betrachten. Es gibt viele Untersuchungen über die Vorteile des Wohnens mit Blick auf eine grüne Landschaft. Die Aussicht „hilft uns, unsere geistige Energie nach einem Tag voller Wissensarbeit wieder aufzutanken und unser Stressniveau in Schach zu halten“ (Augustin, 2010)

Forscher sehen im blauen Raum eine ähnliche Funktion wie im grünen Raum. Sie fanden heraus, dass bebaute Flächen mit Blick auf Wasserlandschaften genauso bevorzugt werden wie solche mit Blick auf grüne Landschaften. Sie schlagen vor, dass eine bebaute Umgebung in der Nähe von Wasser einen höheren Wert haben sollte. (White, et al., 2010)

Das Europäische Zentrum für Umwelt & und menschliche Gesundheit führte ein Experiment durch, um herauszufinden, wie die Menschen grüne, graue und blaue Räume empfinden würden. Den Versuchsteilnehmern wurde ein Satz von jeweils 120 Bildern vorgelegt, die Fotos von Grünflächen, blauen Flächen und bebauten Strukturen (grau) enthielten. Die Teilnehmer sollten dann Fragen beantworten wie: „Das ist ein Ort, der weit weg von den Anforderungen des Alltags ist und an dem ich mich entspannen und über das nachdenken kann, was mich interessiert.“ Durch die Auswahl des am besten geeigneten Bildes denken sie. Das Ergebnis ist unten dargestellt.

Abbildung 6: Ergebnis des Experiments (Wheeler, ohne Datum)

Abbildung 7: Umgebungen in der Rangfolge von am wenigsten bis am meisten bevorzugt (White, et al., 2010)

Schlussfolgerung

Die Leitlinien sollen nicht alle Antworten darauf geben, wie man gesunde Städte baut. Bei der Stadtplanung und -gestaltung geht es nicht nur um physische Räume, sondern die Berücksichtigung der Bedürfnisse von Menschen und Gemeinschaften kann die Gesamtheit von Gemeinschaften ausmachen.

„Eine Stadt ist wie ein lebender menschlicher Organismus. Man kann nicht gesund sein, wenn die Leber krank ist.“ (Duhl, 1986)

Augustin, S. (2010) Leben in der Nähe von Grünflächen und blauen Räumen. Verfügbar unter: https://www.psychologytoday.com/blog/people-places-and-things/201009/living-near-green-spaces-and-blue-spaces

Blackshaw, N. (2012) Why public health and town planning share an unbreakable bond. Verfügbar unter: https://www.theguardian.com/healthcare-network/2012/jan/05/public-health-town-planning-bond

Department for Communities and Local Government (2014) Guidance: Health and wellbeing. Available at: https://www.gov.uk/guidance/health-and-wellbeing

Karl, L. (2016) Water please! Urban Blue Spaces nach der COP21 neu denken. Available at: http://www.gmfus.org/blog/2016/04/05/water-please-rethinking-urban-blue-spaces-after-cop21

Smith, D. (2010) Green and Blue Space Adaptation in Urban Areas and Eco Towns (GRaBS). Available at: http://ec.europa.eu/environment/nature/ecosystems/docs/6_DS_GI_191110.pdf

Völker, S., et al. (2011) ‚The impact of blue space on human health and well-being – Salutogenetic health effects of inland surface waters: A review‘, International Journal of Hygiene and Environmental Health, 214(6), pp. 449-460. Available at: http://www.tlu.ee/~arro/Happy%20Space%20EKA%202014/blue%20space,%20health%20and%20wellbeing.pdf

Wessells, A. (2014) ‚Urban blue space and „The project of the Century“: Doing justice on the Seattle waterfront and for local residents‘, Buildings, 4(4), S. 764-784. Verfügbar unter: www.mdpi.com/2075-5309/4/4/764/pdf

Wheeler, B. (ohne Datum) Beyond Greenspace Research: Strände, Biodiversität und Fledermäuse. Available at: http://www2.uwe.ac.uk/faculties/FET/Research/WHO/tools%20resources/BenWheeler_BeyondGreenspaceResearchBeachesBiodiversityAndBats.pdf

White, M., et al. (2010) „Blue Space: The importance of water for preferences, affect and restorativeness ratings of natural and built scenes“. Journal of Environmental Psychology. 30(4):482-493. Available at: https://www.researchgate.net/publication/222981385_Blue_Space_The_importance_of_water_for_preferences_affect_and_restorativeness_ratings_of_natural_and_built_scenes

WHO (2014) Healthy urban planning. Available at: http://www.who.int/kobe_centre/interventions/urban_planning/en/

WHO Europe (2003) Healthy Urban Planning in Practice: experience of European Cities. Available at: http://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0009/101610/E67843.pdf?ua=1

WHO Europe (1999) Healthy Cities and the City Planning Process: A Background Document on Links Between Health and Urban Planning. Available at: http://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0009/101610/E67843.pdf?ua=1

Bildquellen

Foto oben: New Water City Master Plan von Koen Olthuis Waterstudio (Olthuis, 2010) http://assets.inhabitat.com/wp-content/blogs.dir/1/files/2011/05/new-water-master-plan.jpg

Abbildung 1: Sozial-ökologisches Modell der Gesundheit (Barton et al., 2006) http://www.mdpi.com/ijerph/ijerph-11-01005/article_deploy/html/images/ijerph-11-01005-g004-1024.png

Abbildung 2: Healthy Urban Planning Principles by WHO Healthy Cities Project (WHO Healthy Cities Project Office, 1995; WHO Regional Office for Europe, 1997)

Abbildung 3: Eine Gracht in Amsterdam (Mikestravelguide, 2012) http://mikestravelguide.com/wp-content/uploads/2012/09/Amsterdam-canal2.jpg

Abbildung 4: Vier Säulen der nachhaltigen Entwicklung für den urbanen blauen Raum (Wessells, 2014) www.mdpi.com/2075-5309/4/4/764/pdf

Abbildung 5: Enghaveparken Floodable Park (Cowi, Tredje Natur and Platant, 2016) http://www.gmfus.org/sites/default/files/laurablog1.jpg

Abbildung 6: Ergebnis eines Experiments (Wheeler, kein Datum) http://www2.uwe.ac.uk/faculties/FET/Research/WHO/tools%20resources/BenWheeler_BeyondGreenspaceResearchBeachesBiodiversityAndBats.pdf

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