- 23.12.2020
- Lange Zeit glaubten Wissenschaftler, dass ein gewaltiger Tsunami das Doggerland vor 8.200 Jahren zerstört hat. Sedimentanalysen deuten nun darauf hin, dass das Land, das einst Großbritannien mit dem übrigen Europa verband, erst später unterging.
- Erste Funde in Netzen
- Systematische Kartierung des Meeresbodens
- Paradiesische Bedingungen
- Tödliche Monsterwellen
- Zerstört, aber nicht versenkt
- Neues Leben nach der Flut
23.12.2020
Lange Zeit glaubten Wissenschaftler, dass ein gewaltiger Tsunami das Doggerland vor 8.200 Jahren zerstört hat. Sedimentanalysen deuten nun darauf hin, dass das Land, das einst Großbritannien mit dem übrigen Europa verband, erst später unterging.
Vor rund 10.000 Jahren, am Ende der letzten Eiszeit, lag der Meeresspiegel in Nordeuropa noch etwa 60 Meter unter dem heutigen Niveau. Die Britischen Inseln und das europäische Festland bildeten eine zusammenhängende Landmasse.
Relativ große Flüsse durchquerten diese Landmasse, aber auf eine andere Weise, als wir sie heute kennen. Die Elbe zum Beispiel floss in einen großen Binnensee. Der Rhein floss über weite Strecken von Ost nach West. Bevor er auf dem Breitengrad der Bretagne das Meer erreichte, floss die Themse in ihn hinein.
Wo heute die Nordsee ist, gab es fruchtbare Wiesen und Wälder, durch die Jäger und Sammler streiften. Die Küste verlief etwa 300 Kilometer weiter nördlich entlang eines etwa 30.000 Quadratkilometer großen Gebietes, das in den 1990er Jahren den Namen „Doggerland“ erhielt, benannt nach einer Sandbank, die heute in der Region liegt.
Erste Funde in Netzen
Über das Leben auf diesem versunkenen Landstrich wissen wir noch nicht viel. Hin und wieder fanden Fischer in ihren Netzen Mammutzähne und Knochen von heute ausgestorbenen Landtieren wie dem Auerochsen.
Im Jahr 1931 entdeckten Fischer in ihren Schleppnetzen eine 21,6 Zentimeter lange prähistorische Harpune aus Knochen mit kunstvollen Verzierungen, die auf 11.740 v. Chr. datiert wurde. Im Jahr 1988 wurde ein Steinbeil aus dem Mesolithikum geborgen. Lange Zeit blieb Doggerland jedoch ein scheinbarer Mythos.
Systematische Kartierung des Meeresbodens
Erst in den letzten 20 Jahren haben vor allem britische Forscher mit Spezialschiffen den Meeresboden systematisch auf Spuren untersucht. Die meisten Untersuchungen konzentrieren sich auf das Gebiet der Brown Bank, auch Brown Ridge genannt, eine etwa 30 Kilometer lange Untiefe zwischen Großbritannien und den Niederlanden. Heute ist das Meer dort zwischen 18 und 20 Meter tief.
Die Wissenschaftler stellen geophysikalische Daten zusammen und analysieren Bohrkerne aus den dortigen Sedimentschichten. Mit Hilfe von künstlich erzeugten seismischen Wellen konnten Archäologen der Universität Bradford die geologische Beschaffenheit des Meeresbodens ziemlich genau kartieren.
Paradiesische Bedingungen
In den Sedimentschichten haben sie das genetische Material von Tieren und Pflanzen gefunden, was darauf hindeutet, dass es dort ausgedehnte Mischwälder und weitläufige Hügellandschaften mit wilden Rindern und Schweinen, Rentieren und anderen Säugetieren gab – ideale Bedingungen für die Jäger und Sammler der Steinzeit.
Doch dieses fruchtbare Land wurde im Laufe der Zeit immer kleiner, denn mit dem Ende der Eiszeit stieg der Meeresspiegel an – um 35 Meter in zwei Jahrtausenden, also fast 2 Zentimeter pro Jahr. Allmählich ragten nur noch die höheren Teile von Doggerland aus dem Meer. Doch die verbleibende Insel war mit einer Fläche von rund 23.000 Quadratkilometern immer noch etwa so groß wie das heutige Wales.
Tödliche Monsterwellen
Eine apokalyptische Katastrophe weit vor der norwegischen Küste setzte der schrumpfenden Insel ein Ende. Vor rund 8.200 Jahren brachen bei den so genannten „Storegga-Rutschen“ in mehreren Phasen riesige Teile des Kontinentalhangs weit unter der Oberfläche ins Meer ab. Auf einer Strecke von rund 290 Kilometern stürzten schätzungsweise 3.500 Kubikkilometer Gestein und Geröll in die Tiefe.
Der daraus resultierende Tsunami raste mit einer Höhe von mindestens 10 bis 12 Metern über das Meer. Auf den Shetland-Inseln nördlich von Schottland haben Sedimentdaten auf eine mehr als 20 Meter hohe Flutwelle hingewiesen. Selbst in England sind die Auswirkungen dieser Welle noch 40 Kilometer von der heutigen Küste entfernt nachweisbar.
Zerstört, aber nicht versenkt
Lange Zeit gingen Wissenschaftler davon aus, dass ein solcher Tsunami auch die noch aus dem Meer ragende Doggerbank vollständig zum Sinken brachte. Nach einer Studie von Forschern der Universität Bradford gab es jedoch keinen einzigen, alles zerstörenden Tsunami.
Vielmehr konnten die Forscher durch die Untersuchung von Sedimenten nachweisen, dass nur der nördliche Teil von Doggerland nach dem Tsunami überflutet wurde und dass die zerstörerische Kraft der Fluten wahrscheinlich durch Hügel oder Wälder auf der Insel gebremst wurde.
Neues Leben nach der Flut
Es stimmt, dass große Teile der Wälder zerstört wurden, dass Menschen und Tiere in den Fluten umkamen, dass das Meerwasser die Böden versalzte und dass vielerorts nur Sumpfgebiete zurückblieben.
Nach dem Rückzug des Wassers erholte sich das überschwemmte Gebiet jedoch im Laufe der Jahre, wie die Tatsache zeigt, dass in den Sedimentschichten über der zerrissenen Tsunami-Schicht wieder Hinweise auf Pflanzen und Tiere zu finden sind.
So lebte das Leben auf der Doggerbank wahrscheinlich noch einige Jahrhunderte nach dem Tsunami.
Erst 700 Jahre nach den Storegga-Erdrutschen – um 5500 v. Chr. – stieg der Meeresspiegel so stark an, dass die Nordsee den Rest der Doggerbank verschlang. Zu diesem Zeitpunkt war die Insel vollständig überflutet, und alle Spuren von ihr verschwanden in den Wellen der rauen Nordsee.
Deichbau ist ein Job, bei dem wirklich jeder mithelfen muss. Im Mittelalter wurden drakonische Strafen verhängt, wenn jemand seine Deichpflichten vernachlässigte. Diese Skulptur in Otterndorf an der Elbmündung zeigt, was für eine Plackerei der Deichbau ist. Jahrhundertelang wurde diese Arbeit von den Küstenbewohnern selbst erledigt, zusätzlich zur Arbeit auf dem Feld oder im Stall.
Im Februar 1962 wurden die Küstenregionen Deutschlands und insbesondere rund um die Stadt Hamburg vom 16. auf den 17. Februar überflutet. Insgesamt wurden etwa 60.000 Häuser zerstört, die Zahl der Todesopfer lag allein in Hamburg bei 315.
Eine Bewässerungsanlage alten Stils in Ostfriesland neben einem Pumpwerk. Binnenwasser wird ins Freie gepumpt. Das System funktioniert auch bei höheren Wasserständen vor dem Deich. Die Tore in den Deichen haben vielen Orten in Ostfriesland ihren Namen gegeben: Greetsiel, Carolinensiel, Bensersiel, Neuharlingersiel usw.
Ein Deich soll das Wasser „rauslassen“ – klar. Aber an der Nordseeküste, wo das Land teilweise unter dem Meeresspiegel liegt, sammelt sich das Wasser und muss abgeleitet werden. Hier kommt das so genannte Sieltor in den Deichen ins Spiel. Es wird geöffnet, wenn der Wasserstand bei Ebbe niedriger ist, und dann kann das Wasser ins Meer abfließen.
Der Deichbau ist genossenschaftlich organisiert und wird durch Beiträge der Anwohnerinnen und Anwohner finanziert, die auch Vorsitzende, sogenannte Deichmeister, Strandvögel oder Chefsiegeler wählen. Regelmäßige Deichinspektionen werden nicht mehr wie im 19. Jahrhundert zu Pferd durchgeführt. Theodor Storm hat dem Deichmeister mit dem „Fahlen Reiter“ ein literarisches Denkmal gesetzt.
„Wer will nicht sterben?“ Diesen Spruch kennt an der Nordseeküste jedes Kind – auch wenn es kein Plattdeutsch mehr spricht: „Wenn du nicht tauchen willst, musst du weichen“. Dieses Foto aus dem nordfriesischen Klanxbüll zeigt die Dimensionen: Arbeiter sind hier kaum zu erkennen, während der Deich bis zum Horizont reicht.
Ein gebrochener Damm, der gebaut wurde, um die angeschwollene Elbe bei Hochwasser einzudämmen, ist vor dem Dorf Fischbeck im Bundesland Sachsen-Anhalt zu sehen, 10. Juni 2013.
Bei einer besonders hohen Flut oder einer Sturmflut können Soldaten der Bundeswehr zu Hunderten von Sandsäcken herangezogen werden. Mit ihrer Hilfe werden die Deiche von oben beschwert und damit stabilisiert. Außerdem werden sie auch ein wenig erhöht.